Vergeben und versöhnen
Manchmal scheinen Worte in Vergessenheit zu geraten und mit ihnen das, was sie meinen.
Sie sind verschwunden wie eine Insel, die untergeht. Scheinbar erinnert nichts mehr an sie. Das mag auch daran liegen, dass sich die Wirklichkeit so sehr geändert hat, so dass diese Worte anscheinend keine Resonanz mehr finden.
Zwei wichtige Worte des kirchlichen Sprachgebrauchs fallen mir dazu ein: Vergebung und Versöhnung. Große Worte, die eigentlich zentral sind. Ja sie erfassen ganz Wesentliches des Glaubens. Versöhnung meint eher einen Prozess von Ausgleich oder Anerkennung. Da ist etwas, was nicht gut war, aber versöhnt worden ist.
Denken wir an das Lebenswerk von Nelson Mandela, dann wird die große Bedeutung dieses Wortes sehr schnell klar. Trotz großer Hemmnisse konnte Südafrika auf diesem Weg - dem der Versöhnung - die furchtbare Zeit der Apartheid überwinden. Vergebung ist ein eher persönliches Wort; viel steckt in diesem Wort. Letztlich schenkt Gott Vergebung oder ermöglicht, dass jemand vergeben kann.
Der "polnische" Papst Johannes Paul II. hatte dem, der versuchte, ihn zu töten, vergeben. Es sind ganz sicher Worte, die aus einem tiefen Vertrauen erwachsen. Sowohl für Mandela als auch für den damaligen Papst ist es sicher angemessen, als Grund für ihr Vertrauen Gott anzusehen. Aus diesem Grunde kommt die Kraft für Versöhnung und Vergebung.
Wer sich in der jetzigen Welt umsieht, der erkennt schnell, wie sehr fehlt, was diese Worte bezeichnen. Und ein wenig ohnmächtig fragen wir uns, wie es dazu kommen konnte, dass beides so sehr in die Ferne gerückt ist. Tatsächlich erleben wir neben vielem Schönen viel Erschreckendes. Ein Rezept, die Welt friedlicher und heilvoller zu machen, hat wohl kaum jemand. Aber das Nachbuchstabieren guter Inhalte des Glaubens, das Vertrauen in die Kraft von Versöhnung und Vergebung kann ein Licht aufleuchten lassen - auch wenn der Weg weit ist.
Dr. Mathias Rüß, Pfarrer in Arnstadt