Heilsame Worte

Gedanken des Friedens am Volkstrauertag, dem Tag der Erinnerung an unzählige Kriegstote und an deren Hinterbliebene?

Gedanken des Friedens, in einer Zeit, in der täglich hunderte, zumeist junge ukrainische und russische Soldaten sterben? Gedanken des Friedens, inmitten des Krieges in Palästina und an so vielen Ort von Gewalt und Terror? Inmitten von Misstrauen und aggressiver Polarisierung in unserer Politik, in unserem persönlichen Umfeld?

Manchmal fühle ich mich heillos überfordert von alledem. Von der schlechten Laune im eigenen Land, von den Bildern, die das Gegenteil von Frieden in unsere Wohnzimmer hineinflimmern. Manchmal klingen die Worte der Bibel demgegenüber leer und kraftlos, wie gut gemeinte, aber nicht wirklich wirksame Vertröstungen.

So etwa ging es mir beim ersten Lesen der Losung der Herrnhuter Brüdergemeine für den Volkstrauertag 2024:

Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.

Autor dieser Zeilen ist der Prophet Jeremia. Jahrelang redete er dem Volk Israel ins Gewissen, forderte Mäßigung, Umkehr zu Gott und zu seinen Geboten. Er prophezeite den Untergang Jerusalems, der im Jahr 586 v. Chr. durch den babylonischen König Nebukadnezar II, tatsächlich eintrat. Mit der Folge, dass die Familien der „Leistungsträger“ des jüdischen Volkes nach Babylonien deportiert wurden. Diesen, den Vertriebenen, den Entwurzelten, den Hoffnungslosen predigt Jeremia nun Frieden, Zukunft und Hoffnung.  

Beim zweiten Lesen dieses Textes spürte ich, zunächst ganz sanft, doch dann immer stärker: Gute, heilsame Worte können gute, heilsame Wirkungen entfalten. Ja, dachte ich, genauso ist das. Das kennen wir von Glückwünschen, Segensworten, Fürbitten. Dann ist das Wort des Propheten, aus dem Munde Gottes kommend, ja eine Liebeserklärung, nicht wahr? Eine Liebeserklärung an die, die Leid tragen. Das sind gute, heilsame Worte für Menschen, die überfordert, die in Angst, die traurig sind, über den Verlust des geliebten Mannes, des Sohnes, der Frau oder Freundin. Ja, dachte ich, eine solche Liebeserklärung ist in der Tat etwas Tröstliches, ein kleines Wortwunder sozusagen, für mich und für euch.

Am Volkstrauertag will ich diese guten, heilsamen Worte vorlesen, meiner Familie, meinen Freunden. Laut und deutlich und einladend. Um zu zeigen, welche Gedanken Gott über uns hat und in uns hinein legen will: Gedanken des Friedens und nicht des Leides. Nach dem dritten Lesen der Jeremia-Gottes-Botschaft bin ich mir ziemlich sicher: Wenn wir uns an diese guten Worten halten, mit ihnen umgehen, dann wird uns geschenkt, was wir zum Leben brauchen, beides: Zukunft und Hoffnung.

Thomas A. Seidel, Pfarrer im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau