Freuden-Ode
Vor 200 Jahren wurde Beethovens 9. Sinfonie zum ersten Mal aufgeführt und an mehreren Stellen Europas in dieser Woche gefeiert.
Schon vor gut 25 Jahren während meines Studiums fragte ich mich, wie geistlich ist eigentlich Friedrich Schillers „Ode an die Freude“? „Überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen…Ahnest du den Schöpfer, Welt? Such ihn überm Sternenzelt! Über Sternen muss er wohnen…“.
Über allem steht die Freude. „Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt. Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt…“. Das ist schon eher in die Richtung des Humanismus einzuordnen. Und doch kommt Schiller am Schöpfer überm Sternenzelt nicht vorbei und schafft für mich damit schon eine Verbindung zwischen Humanismus und Spiritualität.
Der Schlusssatz dieser Sinfonie hat vielmals eine große musikalische Wucht. Und doch gibt es Stellen, die so innig sind und mir immer wieder eine Gänsehaut hervorrufen, wie bei der Stelle „…über Sternen muss er wohnen…“. Klanglich sehr mystisch, geheimnisvoll – ein Sternenhimmel. Danach die geballte Freude, und es tut sich ein Bild mit hellem Licht auf.
In diesem Text ist gleichzeitig auch eine politische Botschaft, die bis heute hochaktuell ist. Damals wurde mit diesem Werk Beethovens und Schillers etwas erkämpft in der Aufklärung „…alle Menschen werden Brüder…“, die alle Menschen eint, in Freude zu sein miteinander. Das ist immer wieder eine große Aufgabe.
Es ist auch immer wieder die große Gefahr sich durch Uneinigkeit, Unfrieden und bei verschiedenen Meinungen nicht einigen zu können. Die Freude wird durch den Ärger überdeckt und genommen, was den Toleranzradius stark einengt. Gemeinsam zu singen ist für mich ein Schlüssel. In dem Singworkshop „Atem-Stimme-Raum“ singen wir fast jedes Mal über eine längere Strecke Luthers „Verleih uns Frieden“.
Jetzt wird es auch dieses Lied aus den Federn Schillers und Beethovens sein, die als Europahymne ein gutes und passendes Pendant bildet – Menschlichkeit und Spiritualität gehören zusammen.
Jörg Reddin, Kreiskantor in Arnstadt
