Danke, lieber Wald!
Was ist Walderntedank? Wer bedankt sich für Wald?
Wald ist doch irgendwie selbstverständlich. Wir sehen ihn jeden Tag, fahren mit unseren Fahrzeugen an ihm vorbei, durch ihn hindurch, betrachten ihn so ganz en passant, genießen im Frühjahr das frische Grün, im Herbst die bunte Färbung und im Winter die schneebedeckten Bäume. Wald ist eine herrliche Kulisse!
Aber danken – für Wald?
Und Ernte aus dem Wald habe ich bisher auch gar nicht so richtig auf dem Schirm gehabt, ich bin Städterin und pflücke vielleicht mal ein paar Brombeeren am Wegesrand, ansonsten bin ich weder Pilzsammlerin noch Waldbesitzerin. Unsere Kirchengemeinden im Kirchenkreis schon. Und das sieht ja auch gerade nicht so gut aus wegen Borkenkäfern und Trockenheit und so.
Ich will Sie jetzt mal ganz direkt fragen: Was lieben Sie am Wald? Wofür sind Sie dankbar? Schatten, Kühle, Vogelgezwitscher, Tiere, Vielfalt, Sauerstoff, Bäche, Pilze, Ruhe, Blattfärbung im Herbst – so viele Dinge schätzen wir am Wald.
Ein Leben ohne Wald kann ich mir nicht vorstellen. Eine Welt ohne Wald wäre nicht die meine. Darum möchte ich etwas dafür tun, dass unsere Mitwelt erhalten bleibt und wir und unsere Kinder, Enkel und Ur-Urenkel noch in ebenso schönen Landschaften leben können wie wir.
Walderntedank. Wir danken für das, was der Wald für uns ist, was er uns gibt und was er uns auch ganz emotional bedeutet.
Nun lade ich Sie zum Waldbaden ein. Waldbaden ist angesagt, kommt eigentlich aus Japan und gehört dort regelrecht zur Gesundheitsfürsorge: Es ist erwiesen, dass die Natur des Waldes entspannt. Das, sagen die Mediziner, sei auch messbar. Zum Beispiel normalisiert sich der Blutdruck im Wald, Stresshormone werden abgebaut, wenn wir in die Lebenswelt des Waldes eintauchen mit Wurzeln, Bäumen, Sträuchern, Moosen, den Tieren, den Quellen und Wasserläufen, dem besonderen Licht – wir tun unserem inneren Gleichgewicht etwas Gutes.
Ich lade Sie jetzt also zu einem geistlichen Waldbad ein. Bitte folgen Sie mir.
Erste Station: Der Wald ist eine geniale Erfindung Gottes. Wir haben den Wald nicht gemacht. Er ist vielmehr ein Riesengeschenk für uns und für das Leben selbst. Genial ist zum Beispiel: Gott hat es so eingerichtet, dass der Wald für sich selbst sorgt. Gott hat die Früchte und Samen gleich ins System integriert. So erzählt es auch die Geschichte von Wurzi („Wurzi und der Wald“ hieß das Stück, das Kinder des Kindergartens Senfkorn im Gottesdienst zum Walderntedank in Paulinzella am 25.09.22 aufführten):
Die kleinen Geschenke, die von den Vögeln und Eichhörnchen mitgebracht oder abgeworfen werden, landen auf der Wurzel der Weißtanne und entwickeln sich dort weiter. Solch ein Entwicklungspotential! In der Schöpfungsgeschichte lautet das so: (1. Mose 1, 11-13)
Gott sprach: „Die Erde soll frisches Grün sprießen lassen und Pflanzen, die Samen tragen! Sie soll auch Bäume hervorbringen mit eigenen Früchten und Samen darin!“ Und so geschah es. Die Erde brachte frisches Grün hervor und Pflanzen, die Samen tragen. Sie ließ auch Bäume wachsen mit eigenen Früchten und Samen darin. Und Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und Morgen, der dritte Tag.
Gott muss sich durch die Früchte und Samen nicht groß um den Wald kümmern, das System funktioniert.
An anderer Stelle in der Bibel heißt es: „Die Bäume klatschen in die Hände,“ weil sie Gott loben.
Zweite Station im Waldbad: Menschen und Bäume sind Leidensgenossen. Das haben wir in diesem Jahr besonders gemerkt: Die Hitze, die Dürre. Es gab viel zu wenig Niederschlag, das Grundwasser hat sich abgesenkt. Die Bäume haben extrem gelitten, besonders die frisch gepflanzten Bäume. Viele haben es nicht geschafft. Wie gut, dass Paula und Simon (aus dem "Wurzi"-Anspiel) jetzt mithelfen, den jungen Bäumen Wasser zu geben.
Bäume und Menschen leiden auch gleichermaßen unter Krieg und Plünderung. In Kriegen wurden früher die Bäume des Feindes abgehauen, um das gegnerische Volk langfristig zu schwächen. In Griechenland oder Italien oder in Israel wurden die Olivenbäume abgehackt. Das traf die Bauern hart, denn ein Olivenbaum kann mehrere Jahrhunderte alt werden und auch im hohen Alter noch Früchte tragen.
Für das Volk Israel hingegen galt ein Gesetz von Gott, das man sich am Baumbestand einer belagerten Stadt nicht vergreifen durfte: (5. Buch Mose 20,19): Gegen Bäume darf kein Krieg geführt werden.
Dritte Station im Waldbad: Bäume heilen. Der Prophet Ezechiel hat eine große Vision. Auch er lebte in schwieriger Zeit. Sein Land war eingenommen worden, alle Menschen, die lesen, schreiben und rechnen konnten, waren in ein anderes Land abgeführt worden. Ezechiel machte nun den Menschen Mut. Er sieht in einer Vision einen Fluss des Heils aus dem zerstörten Tempel in Jerusalem fließen. An seinen beiden Ufern wachsen überall Bäume, die Früchte tragen. Das liest sich so:
An beiden Ufern des Flusses wachsen alle Arten von Obstbäumen. Ihr Laub wird nicht welken und sie werden nie ohne Frucht sein. Jeden Monat tragen sie frische Früchte; denn das Wasser des Flusses kommt aus dem Heiligtum. Die Früchte werden als Speise und die Blätter als Heilmittel dienen. (Ezechiel 47,12)
Vierte und letzte Station im Waldbad: Wurzi, liebe, alte Wurzel der Weißtanne, für dich gibt es eine eigene Bibelstelle (Hiob 14, Vers 7-9):
Ja, für einen Baum gibt es Hoffnung.
Wenn er gefällt wird, treibt er wieder aus.
Es fehlt ihm nicht an neuen Trieben.
Das gilt selbst für einen alten Baumstumpf,
dessen Wurzelstock in der Erde abgestorben ist.
Sobald er ein wenig Wasser spürt, treibt er aus
Und blüht wieder auf wie ein junges Bäumchen.
Wurzi, du gibst uns Hoffnung. Wenn wir glauben, es ist alles vorbei, schlägst Du wieder aus und das Leben wird neu.
Paula und Simon haben es erfahren: Die alte Wurzel wird Teil eines neuen Lebensraumes. Alles wandelt sich. Nur die untypischen Waldbewohner wie Maultäschle, geknickter Dürstling (d.h. Müll im Wald) und wie sie alle heißen, bleiben Jahre, Jahrtausende, bis sie allmählich zerfallen.
Ja, für einen Baum gibt es Hoffnung. Für den Wald gibt es Hoffnung – und für unsere Erde auch.
Wir sind nicht allein. Der, der die Welt erschaffen hat, ist doch da. Und er hat uns Intelligenz gegeben und Liebe zur Natur. „Siehe, sie ist sehr gut“, sagte Gott über die Erde. Und uns Menschen hat er den Auftrag gegeben, sie zu bewahren. Die Zeit zu handeln ist jetzt.
Elke Rosenthal, Superintendentin im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau