Frieden

Was für ein Gefühl, wenn man von Tel Aviv kommend die Stadt Jerusalem, oben auf dem Berg, erblickt.

Was für ein Gefühl, wenn man dann die Altstadt betritt, auf die Tempelmauer zugeht und über ihr den Felsendom mit der goldenen Kuppel sieht.  An den heiligen Orten wohnt Gottes Gegenwart im Gebet der Gläubigen.  Jerusalem, du hochgebaute Stadt, ach wär ich schon in dir, heißt es im Choral.  Jerusalem ist hier das Bild für die Heimat in Gott, jenseits des Lebens.  Alle Trümmer werden beseitigt sein. Frieden wird sein. Das bleibt die große Hoffnung.

Herr K. wird sehr laut, beleidigend und emotional, als es in der Gesprächsgruppe um Juden geht. Ich selbst bin da sehr empfindsam. Gegen Antisemitismus verwahre ich mich deutlich. Trotzdem  höre ich zu, hören wir zu und erfahren die Geschichte seiner palästinensischen Familie. Seit Generationen lebt sie in Flüchtlingslagern. Wir begreifen die Wut, die entsteht, wenn Trauer über das unbegünstigte Leben, die Ungerechtigkeit niemals ernst genommen wird, wenn man keine Chancen für ein besseres Leben bekommt.

Wir lesen gemeinsam aus einem Buch: „Apeirogon“: „Mein Name ist Bassam Aramin. Ich bin der Vater von Abir. Ich bin Palästinenser. Muslim. Araber. Ich bin 48.     Mein Name ist Rami Elhanan. Ich bin der Vater von Smadar. Ich bin 67 und Graphikdesigner, Israeli, Jude und Jerusalemer in 7.Generation“…  Wir lesen die Geschichte von zwei Männern, für die es absolut undenkbar war, miteinander zu sprechen – und die irgendwann Freunde wurden. Beide verloren eine Tochter durch die Gewalt im Nahostkonflikt. Beide setzen sich heute gemeinsam für Versöhnung ein. Wir sind sehr beeindruckt und berührt von dem Buch.

Hinter uns liegt der Israelsonntag. Man gedachte in vielen Kirchen der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70.  Aus dem Evangelium hörten wir: Als Jesus hinzukam und die Stadt Jerusalem sah, weinte er und sprach: Wenn du doch auch erkenntest an diesem Tag, was dir zum Frieden dient.                                                                                                                                   

Vor uns liegt am 1. September in Deutschland der Antikriegstag, am 21.9. der Weltfriedenstag.   Es ist  jetzt so unglaublich wichtig, dass wir uns auf den Frieden besinnen, uns absolut dafür einsetzen und Gott um Kraft bitten.

Frieden setzt Erkenntnis voraus, Hinschauen, die Bereitschaft kennenzulernen – etwas und einander. Erfahrung und Erkenntnis bedingen einander. Jeder Ort dieser Welt ist ein möglicher Ort dafür. Zerstörung setzt ein, wo wir ignorieren, uns auf Vorurteile zurückziehen.

Ich wünsche mir Unterstützung für Menschen, die nicht aufgeben, weitermachen für den Frieden wie Bassam Aramin und Rami Elhaman. Sie sollten uns Vorbild sein. Frieden für Jerusalem, für die Ukraine, für Russland, für Syrien…    für unser Land.

Christiane Kahlert, Gefängnisseelsorgerin in der JVA Arnstadt