Alltägliches
Im Zug prasselt der Regen an die Scheibe. Die einzelnen Regentropfen werden durch den Fahrtwind außen in Bewegung versetzt.
Sie verbinden sich zu einzelnen kleinen Flüssen, die einmal diagonal über die großflächige Scheibe ziehen. Immer wieder verebben einzelne Flussarme, immer wieder werden neue geschaffen. Ein ewiges Wasserspiel, während dahinter die thüringer Landschaft an mir vorbei zieht.
„Wer hat das schöne Himmelszelt hoch über uns gesetzt? Wer ist es, der uns unser Feld mit Tau und Regen netzt?“
So heißt es in der vierten Strophe des Liedes „Ich singe dir mit Herz und Mund“, das uns als Wochenlied begleitet (im Evangelischen Gesangbuch Nummer 324). Gedichtet hat es Paul Gerhardt im 17. Jahrhundert, kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. In den insgesamt 18 kurzen Strophen legt er seinen Grund zur Dankbarkeit dar:
„Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad und ewge Quelle bist, daraus uns allen früh und spat viel Heil und Gutes fließt.“
Die bildreiche Sprache und Metaphorik, derer sich Gerhardt in dem Lied bedient, greift verschiedene Bibelstellen auf, wie etwa der Brunnen bei 1. Mose 16,14 oder die Quelle in Psalm 36,9. Daneben spielen in dem Lied aber auch reale Flüssigkeiten eine große Rolle, so der schon erwähnte Regen, in anderen Strophen Öl, Blut oder auch Tränen. Manchmal geht uns diese Dankbarkeit für scheinbar alltägliche Dinge verloren. Doch spätestens die nächste regnerische Zugfahrt wird mich wieder erinnern:
„Wohlauf, mein Herze, sing und spring und habe guten Mut!
Dein Gott, der Ursprung aller Ding, ist selbst und bleibt dein Gut.“