...wie du geglaubt hast
Dies ist ein besonderes Jahr – in den großen weltpolitischen Angelegenheiten wie auch in meinen ganz persönlichen.
Ich spüre, wie sich sehr viel bewegt – um mich herum wie auch in mir drin. Vieles beginne ich neu zu denken und von vielem muss ich mich verabschieden. Einen Teil meiner Arbeitsaufgaben muss ich abgeben – und bekomme andere dafür. Und ich habe viele Menschen hergeben müssen! Menschen, die mir Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter waren über viele Jahre und auch solche, die viel zu früh aus diesem Leben gegangen oder fortgezogen sind – in meinen Gemeinden, in meinem Freundeskreis. Es sind Menschen, die Konstanten waren für mich, auf die immer Verlass war mit ihrer ganz persönlichen Art, ihrem Lächeln, ihrer Zuversicht, ihren Scherzen, die sie machten und mich damit fröhlich in eine andere Wirklichkeit holten. Ich werde sie alle in meiner Erinnerung behalten und von ihrer positiven Energie zehren.
Zu diesen Menschen in meinem persönlichen Umfeld kommen auch die, deren Hand ich nie geschüttelt habe: Michael Gorbatschow, Queen Elizabeth II., ja und leider auch Dagmar Schipanski, obwohl wir in der gleichen Stadt wohnten. Vor ihnen allen habe ich große Hochachtung: vor ihrer Lebensleistung, ihrem Mut und ihrer Beständigkeit, auch ihrer Widerständigkeit. Sie waren Brückenbauer und Visionäre. Allen gemein ist der Dienst an den Menschen, und dass sie sich ihr Leben lang nicht davon haben abbringen lassen, mit ihrer ganzen Kraft für ein menschenfreundliches Miteinander einzustehen.
Und jetzt? Geht mit diesen Menschen womöglich auch das zugewandte, menschenfreundliche Miteinander verloren? Fehlen sie uns nicht als Identifikationsfiguren und gefühlt als starke Felsen in den Fluten der Gegenwart?
Eins ist sicher: Ja, sie fehlen!! Und ein andres ist auch sicher: Wir haben die Wahl, uns zu entscheiden, jetzt mutlos den Kopf hängen zu lassen oder selber für ein menschenfreundliches Miteinander einzustehen. Mal angenommen, nur mal angenommen, Sie wachen morgen früh auf und es ist ein Wunder geschehen. Die Welt hat sich völlig verändert. Es ist Frieden – im Außen und auch ganz tief in Ihnen drin. Woran würden Sie das merken? Und wie fühlt sich das an? Was sehen Sie, was riechen Sie, was hören Sie? Welcher Mensch begegnet Ihnen als erstes und wie sieht diese Begegnung genau aus?
Mal angenommen, nur mal angenommen, Sie würden das alles jemandem erzählen – und der sagt: So, wie du es dir vorstellst, so soll es werden. Dann wären Sie in guter Gesellschaft mit dem ausländischen Hauptmann, der zu Jesus kommt und fest darauf vertraut, dass Jesus seinem Knecht, seinem Untergebenen, die Schmerzen nimmt. Ich bin fest davon überzeugt: Was wir heute denken, werden wir morgen sein – oder wie es Jesus sagt: Dir geschehe, wie du geglaubt hast!
Lassen Sie uns daran glauben, dass das Vermächtnis all derer, die in der letzten Zeit gegangen sind, in uns weiterwirkt. Und dass wir selber die Kraft in uns haben, Brückenbauerinnen und Brückenbauer zu sein – und sei der Stein noch so klein, den wir hinzufügen können!
Christine Behrend, Pastorin und Klinikseelsorgerin