Was ist dir heilig?

Das ist eine Frage, die nach der schrecklichen Terrorfahrt von Magdeburg nichts an Brisanz verloren hat. Im Gegenteil!

Es ist unabweisbar: Wir brauchen eine kluge Politik, die größtmögliche Sicherheit garantiert. Eine Staatskunst, die Frieden in Freiheit bewahrt. Die uns nicht mit heillosem Parteiengezänk nervt. Gewiss! Doch daneben bleibt die Frage an dich, ganz persönlich: Was ist dir selbst, als Bürger, als Mensch, mit oder ohne Bezug zur Kirche, außerdem noch wichtig? Was ist dir heilig, an Heilig Abend und darüber hinaus?

Ich fange mal ein bisschen um die Ecke an: Kennst du das Weihnachtslied „Macht hoch die Tür“?

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt…

Wer kommt? Ein Super-König? Ein Heiland? Also so etwas wie der Chef-Arzt der ganzen Welt? So ist es tatsächlich gemeint. Hier klingt christliche Poesie, wirkungsvoll erprobt seit über 400 Jahren. Das sind Bild-Worte für die Kraft, die, frei nach Goethe, „die Welt im Innersten zusammen hält“. Metaphern, für die Energie, „die Heil und Leben mit sich bringt“.

Und, Hand aufs Herz, wer kann auf diese heilsame Energie verzichten? Niemand! Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind braucht das. Essen und Trinken, Haus und Hof, Geld und Gut allein reichen nicht aus. Äußere Sicherheit und innere Freiheit sind zwei Paar Schuhe. Wir brauchen mehr und anderes, um wirklich geborgen, lebendig und glücklich zu sein.

Wie können wir diese Kraft, diese Lebensenergie gewinnen? Am Anfang der 5. Strophe von „Macht hoch die Tür“ findet sich ein Hinweis:

Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist…

Nun wird klarer, welche Tür, welches Tor hier gemeint ist. Die Tür unseres Herzens! Mit anderen Worten: unsere Sympathie, unsere Fähigkeit zum Mitleiden, mit denen, die unter die Räder gekommen sind. Unsere Herzlichkeit und Zuneigung zu denen, die zu uns gehören und zu denen, die unseren Weg kreuzen.

„Der Graf“, Lead-Sänger der deutschen Band „Unheilig“, hat vor einiger Zeit preisgegeben, was ihn zu dem erfolgreichen Pop-Titel „Geboren um zu leben“ gebracht hat:

"Der Tod meines Freundes hat mich tief getroffen und inspiriert, diesen Song für ihn zu schreiben."

Nicht die Freude, sondern der Schmerz war hier der Türöffner. Eine tiefe Zuneigung hat ihm die Tür seines Herzens geöffnet – und uns, die wir dieses Lied mögen, gezeigt, was wirklich heilig ist. Wir halten fest: „Unheilig“ hat einen „heiligen“ Song geschrieben. Ein Lied, das „Heil und Leben mit sich bringt.“

An Heiligabend wird der 400 Jahre alte Choral aus dem Gesangbuch intoniert. Und ich werde, ein wenig traurig und zornig vielleicht, doch vor allem mit Zuversicht und Freude einstimmen: Gelobet sei mein Gott, mein Heiland groß von Tat. Und, am Ende der 5. Strophe jubelt es laut: Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass dann nicht nur mir das Herz aufgeht, sondern auch etlichen anderen. Menschen neben mir, die, wie ich, geborgen, lebendig und glücklich sein möchten. Schwestern und Brüder, die mit ihrem Leben erfahren haben und erfahren wollen, was ihnen heilig ist. Willst du das auch?

Thomas A. Seidel, Pfr.i.R. (Weimar)