Über Mauern springen
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Diesen Satz findet man in der Bibel im 18. Psalm (Vers 30).
Mein Bruder Joachim hat – als er vier oder fünf Jahre alt war – spontan darauf reagiert: „Was, mit Gott kann ich rüber in den Westen?!“ Das war so gegen Ende der 60er Jahre. Eine solche, kindlich-naive Äußerung lässt uns schmunzeln.
Der Psalmbeter meint wohl kaum, dass Gott ihm eine direkte Hilfestellung zum Überspringen von Mauern und sonstigen Hindernissen gibt. Aber auch die übertragene Bedeutung, dass ich mit Gottes Hilfe Hindernisse bewältigen, Schwierigkeiten meistern kann, birgt – so leicht dahin gesagt – Probleme in sich. Denn freilich komme ich auch als Christ nicht mühelos an jeder Schwierigkeit vorbei, gelingt mir längst nicht alles im Leben, sondern ich werde immer wieder auch Leidenssituationen und Scheitern erfahren. Was hilft mir dann diese vollmundige Botschaft des Psalmdichters?
Ich denke, dass sich hinter dieser Aussage eine unerschütterliche Lebenszuversicht verbirgt, eine Zuversicht, die selbst den Widrigkeiten des Lebens standhält. Denn auch der Psalmbeter kennt die Wirren und Schrecken des Lebens. Im gleichen Psalm heißt es ein paar Zeilen zuvor: „Es umfingen mich des Todes Bande, und die Fluten des Verderbens erschreckten mich.“
Auch wir kennen Bilder von erschreckenden Fluten, die offensichtlich weltweit in den letzten Jahren zugenommen haben. Oft sehen wir dann Menschen, die angesichts dessen, was diese Fluten angerichtet haben, nur noch verzweifelt sind. Ich kann mich aber auch an erstaunlich optimistische Äußerungen Betroffener erinnern, wie z.B.: „so leicht lassen wir uns nicht unterkriegen...“ Und dann wurde angepackt und mit den Aufräum-Arbeiten begonnen.
Ich denke, eine ähnlich zuversichtliche Haltung hat auch den Dichter des 18. Psalms bestimmt, als er freudig sagte: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Er ist von einem tiefen Vertrauen geprägt, das ihn fähig macht zu Hoffnung und Zuversicht, die auch in schwierigen Situationen nicht verloren geht, ja, die selbst durch großen Verlust nicht zerstört werden kann. Eine solche unerschütterliche Lebenszuversicht wünsche ich einem jeden von uns in diesen Tagen und allezeit.
Matthias Schubert, Pfarrer im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau