Fürchtet Euch nicht...
...siehe, ich verkündige euch große Freude! So lautet der Gruß des Engels an die Hirten auf dem Felde, in der heiligen Nacht. Damals. Heute ist vielen von uns nicht nach Freude zumute.
...fürchtet euch nicht! Habt keine Angst! Lässt sich das befehlen oder anordnen? Leider nein. Schon gar nicht, wenn Krankheit oder Stress dagegen sprechen. Aber ist es nicht besser, ohne Angst zu leben? Gewiss! Also: wie können wir unsere Angst überwinden, um unsere körperlichen und seelischen Immunkräfte zu stärken, gegen Panik und Pandemie? Ich mache drei Vorschläge, zum Ausprobieren, in (hoffentlich) weihnachtlicher Atmosphäre. Im kleinen, corona-regel-konformen Kreis der Familie :
1. Nicht schummeln und schimpfen, sondern sagen, was ist, was mir, ganz persönlich, Sorge oder Angst macht. Wenn Sie das nüchtern und unaufgeregt, ohne einander ins Wort zu fallen, tun, werden Sie feststellen, dass bei jedem von uns jeweils eine andere Angst im Vordergrund steht, ob durch leidvolle Erfahrung bestätigt oder auch nicht. Bei der einen ist dies die Angst vor dem Virus, vor Ansteckung, Krankheit und Tod. Bei dem anderen steht die Angst um die berufliche Existenz im Vordergrund. Wieder andere haben Angst, erneut in einen Überwachungsstaat zu geraten, mit eigeschränkter Freiheit leben zu müssen. Doch bevor der Wettkampf um die vermeintlich wichtigste Angst einsetzt, rasch ein weiterer Vorschlag:
2. Nehmen Sie nüchtern zur Kenntnis, dass Menschen verschieden geängstigt und verschieden angstfrei sind. Das hängt von konkreten Erfahrungen ab. Und auch von der Realität liebevoller Geborgenheit, die uns trägt oder die uns fehlt. Keinesfalls sollen wir uns unsere Ängste ausreden. Wir dürfen diese Unterschiedlichkeit wahrnehmen und annehmen. Und erst dann kann mein dritter Vorschlag überhaupt ins Spiel und zur Wirkung kommen.
3. Erzählen Sie einander von großen und kleinen Weihnachtsfreuden. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, eine gute Flasche Wein oder einen edlen Tropfen Likör zu öffnen, sich zu zuprosten und darüber zu reden, was uns Freude gemacht hat. Lichtmomente, inmitten der Gefahr. Erleichterung und Dankbarkeit, dass angesagte Katastrophen ausgeblieben sind. Nun öffnet sich die Gelegenheit, besondere Weihnachtsüberraschungen Ihrer Kindertage aus dem Gedächtnis zu kramen. Laden Sie ihre Kinder und Enkelkinder ein, sich an diesem Gespräch zu beteiligen, alkoholfrei, versteht sich. Sie sind der Hirten-Furcht und der Hirten-Freude jener heiligen Nacht viel näher und unmittelbarer, als wir Erwachsenen.
Den Hirten rief der Engel zu: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.” (Lukas 2, 10-11). Die Hirten spielten eine Nebenrolle im gesellschaftlichen Leben. Sie waren unmündig, ohne Eigentum, Macht und Bürgerrecht. Sie bildeten die untere Schicht der Erwerbstätigen, waren im Arbeitsalltag Krankheit und Gefahr ausgesetzt. Die Weihnachtsbotschaft zeigt uns: Sie sind die erste Adresse. Sie erhalten als erste die gute Nachricht über die Geburt des Heilandes, des dreieinigen Gottes, der als Mensch geboren wird, um die Welt gottvoller und menschlicher werden zu lassen. Den Hirten ist die Hauptrolle zugefallen. Damals. Sie haben die herrliche Freiheit der Kinder Gottes erfahren: das wundervolle Ent-Ängstigungs-Programm der Bibel! Wir können –heute – mündige, freie und fröhliche Gotteskinder werden. Wir können unsere Sorgen und Ängste ablegen, am Kreuz und an der Krippe.
Das Kind in der Krippe wird als erwachsener Mann predigen: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden” (Johannes 16,33). Das sind starke Worte. Sie können wirken wie eine ansteckende Gesundheit. Nicht nur zu Weihnachten.
Thomas A. Seidel, Beauftragter für pastorale Dienste im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau