Frühjahrsputz

Wenn die Morgensonne durch meine Fenster scheint und den Staub der vergangenen Winterwochen sichtbar macht, dann weiß ich: Es hilft nichts. Der Frühjahrsputz steht an!

Im besten Fall geht es schnell voran und wenn es dann blitzt und blinkt, wenn aller Müll und Staub beseitigt ist, dann gibt es ein befriedigendes Gefühl als Lohn für die Mühe.

Was aber ist mit unserer Seele? Was ist mit all dem, was sich da angesammelt hat? Quälende Gedanken, Zwänge, Erfolgsdruck, die Sorge, wie alles weitergehen kann? Das sind für die meisten Menschen vertraute Begleiter, die oft keine Ruhe geben. Ob das geht, ein Frühjahrsputz der Seele?

Zwei Dinge fallen mir ein: Zuerst ein recht altmodischer Begriff: Barmherzigkeit. Und ich frage mich: Wie barmherzig bin ich mit mir selber und auch mit anderen? Kann ich es irgendwann gut sein lassen oder sehe ich nur auf das, was vermeintlich noch besser hätte sein können? Gelingt es mir, mich und die Menschen in meiner Nähe mit den liebenden Augen der Barmherzigkeit zu betrachten? Ein Versuch ist es doch sicher wert, den Blickwinkel zu ändern jetzt im Frühling.

Und als zweites fällt mir ein Begriff ein, der schon klingt wie Frühjahrsputz. Er lautet Psychohygiene. Da geht es also um die Hygiene der Psyche, der Seele, des Lebens an sich. Und ich frage mich: Wie gut sorge ich eigentlich für mich? Oft ist mir die Sorge um andere viel näher und vertrauter. Oder wer sorgt für mich? Was gibt mir Kraft in meinem Leben? Wo finde ich die Stille im Alltag zum Luftholen, zum Auftanken, zum Kraft schöpfen? Mich darauf zu besinnen, ist eine lohnende Frühlingsaufgabe.

Beide, der barmherzige Blick und die Psychohygiene, haben mit dem Frühjahrsputz gemeinsam, dass es leider mit einem Mal nicht getan ist, sondern dass wir uns immer wieder aufs Neue in Bewegung setzen müssen. Aber die Mühe lohnt sich. Auch das haben sie gemeinsam. Denn wer innehält, hat innen Halt! Das wussten schon die Menschen der Bibel (Psalm 62, 2): „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft, denn er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz.“

Ulrike Becker, Pfarrerin im Pfarrbereich Gehren