Freies Leben
Alljährlich werden wir Deutschen nach Ängsten gefragt, die uns umtreiben.
Da kommt viel Politisches (Unregulierte Einwanderung steht ganz oben) aber auch ganz Persönliches (Angst vor finanziellem Abstieg). Noch viele andere Angst-Themen wurden genannt. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Kontrollverlust steckt bei fast allem dahinter. Denn unsere Erfahrung sagt uns: Ohne Kontrolle herrscht Chaos - und das kann ganz gefährlich werden!
An vielen Stellen haben wir es erlebt: dass Ordnungen ihren guten Sinn haben. Sie versuchen, das Chaos der freien und wilden Kräfte zu bändigen, Verlässlichkeit ins Leben zu bringen, Gefahren zu bannen. Ob TÜV oder Vorfahrtsregeln, ob Strafrecht oder Umgangsformen: Ihnen allen ist gemeinsam, dass wir damit unserem Leben Sicherheit geben wollen. Das kann technische Sicherheit sein oder die Sichereit im Umgang mit anderen Menschen.
Doch leider lässt sich unser Dasein nicht überall komplett durchregulieren. Das ist aber auch ganz gut so, sagt der Soziologe Armin Nassehi in einem Interview (Die ZEIT v. 3. 10. 2024): Wir leben auch vom freien Spiel der Kräfte - zum Beispiel in der Liebe, in der freien Kommunikation zwischen Menschen oder echte Lebenserfahrungen. Auch die Marktwirtschaft würden wir abwürgen, wäre sie ohne unternehmerische Freiheit - manchmal ist „organisierter Kontrollverlust“ offenbar notwendig.
Aber wonach richten wir uns denn dann? "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott." sagt der Prophet Micha. Heißt soviel wie: Versuch’s mal mit den Zehn Geboten und der Liebe - und halte dich nicht für unfehlbar. So kommen wir am besten klar, mit uns selbst und untereinander. Oder ganz knapp: Kontrolle ist gut, Vertrauen wäre allerdings noch besser!
Christian Rämisch, Kreisjugendpfarrer im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau