17.08.2019
Sterbender Wald
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den Wäldern der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) auf dramatische Weise spürbar. So belaufen sich die Schäden durch Stürme seit 2017 auf 54.000 Festmeter Windwurf und Sturm, dazu kommen etwa 80.000 Festmeter Schadholz durch Dürre, Insekten und Pilze sowie fünf Hektar Verlust durch Waldbrand.
Die kirchlichen Waldeigentümer benötigen dringend Hilfe für Erhalt, Anpflanzung und Pflege des Waldes. Gleichzeitig wird die Kirche prüfen, wie sie den CO²-Ausstoß weiter minimieren kann und ob sie auf ihren Flächen weitere Aufforstungen zur CO²-Reduzierung vornimmt. Insgesamt speichert der Wald der EKM jährlich etwa 84.500 Tonnen CO².
„Die multifunktionalen Leistungen des Waldes müssen dringend gesichert werden“, sagt Susann Biehl, Forst-Referentin der EKM. „Es ist eine enorme Herausforderung für kirchliche Waldbesitzer und deren Förster, die geschädigten Flächen wieder aufzuforsten und dafür die richtigen standortgerechten Baumarten zu wählen, welche auch noch in 50 oder 100 Jahren den klimatischen Änderungen gewachsen sind. Ziel bleiben gemischte Wälder mit mehreren Laub- und Nadel-Baumarten“, erklärt die Expertin.
Der Klimawandel habe in Mitteldeutschland reale und nachweisbare Auswirkungen, betont sie. „Wissenschaftler stellen fest, dass Prognosen schneller eintreffen und es sich nicht mehr nur um Wettererscheinungen handelt“. Im Wald könne man nicht wie in der Landwirtschaft nach einem trockenen Jahr im nächsten Frühjahr neu anfangen und andere oder trockenresistente Arten pflanzen. „Der Prozess der Anpassung und Umgestaltung im Wald dauert Jahrzehnte. Die alten Bäume, die jetzt vertrocknen, sind über 100 Jahre mit den Temperaturen und dem Wasser zurechtgekommen. Auf so harte Trocken- und Hitzephasen wie in den letzten Jahren sind sie nicht vorbereitet. Auch viele der gepflanzten jungen Bäume des Waldumbaus sind vertrocknet“, berichtet Susann Biehl.
Wer aufmerksam durch die Landschaft Mitteldeutschlands reise, sehe allerorten braune und vertrocknete oder von Insekten und Pilzen zum Absterben gebrachte Fichten und Kiefern sowie zunehmend auch Laubbäume. „Eschen sterben in rasender Geschwindigkeit an einer Komplexkrankheit. Alte, über 120 Jahre alte heimische Buchen verlassen nach langem Ringen ihre Kräfte, auch in Naturwäldern wie dem Nationalpark Hainich“, so die Forst-Referentin.
Sie weist auch auf die dramatischen Folgen des Klimawandels für die Waldbesitzer hin. „Der Holzverkauf ist die einzige Einnahmequelle, alle anderen Leistungen wie Naturschutz, Erholung, Wegeerhaltung, Verkehrssicherung, Pflicht-Berufsgenossenschaft, Personal, Waldpflege und Pflanzung junger Bäume müssen damit abgedeckt werden“, erklärt Susann Biehl. „Durch ein Angebot von Millionen Kubikmetern Schadholz in Mitteleuropa ist der Markt zum Erliegen gekommen und der Holzpreis auf so einem niedrigen Niveau, dass häufig nicht einmal das Beräumen des Schadholzes und die Abfuhr aus dem Wald bezahlbar ist. Deshalb ist die Hilfe, insbesondere aus Politik und Gesellschaft, zwingend nötig“, sagt die Referentin.
In der EKM besitzen hunderte Kirchengemeinden und andere Eigentümer insgesamt etwa 13.000 Hektar Wald, 6,5 Kubikmeter Holz wachsen hier jährlich je Hektar nach. „Dieser Wald erfüllt alle Waldfunktionen vorbildlich. Er wird nach Leitlinien nachhaltig ökologisch und ökonomisch bewirtschaftet“, betont Susann Biehl. Werde der nachwachsende Rohstoff Holz genutzt, beispielsweise durch das Ersetzen von Stahl, Beton, Kunststoff und Öl, speichere ein Kubikmeter langfristig etwa eine Tonne CO². Damit werde der Ausstoß erheblich verringert. „Jeder neu gepflanzte Baum ist aktiver Klimaschutz und dient der Reduzierung des CO²-Anteils in der Atmosphäre“, so Biehl.
Hintergrund:
Deutschland ist zu einem Drittel bewaldet. Es ist die naturnächste Landnutzungsform und ein Ökosystem mit vielen Funktionen wie Wasser- und Luftfilter, Sauerstoffproduzent, Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere, Naturschutz, Co² -Speicher und Produzent des vielfach verwendbaren, natürlichen und CO²-neutralen, nachhaltig nachwachsendem Rohstoffes Holz, zudem ein Sehnsuchts- und Erholungsort der Menschen. Seit Jahren sinkt in Mitteldeutschland der Wassergehalt im Boden in der Tiefe, in der die Bäume wurzeln.
Nachweislich hat sich die Durchschnittstemperatur in Thüringen seit 1881 um 1,4 Grad Celsius erhöht, erstmals seit der Temperaturaufzeichnung gab es zwölf zu warme Monate mit zu heißen Tagen in Folge. Durch eine Abfolge mehrerer Stürme seit Herbst 2017 liegt sehr viel Holz im Wald, was hervorragendes Brut- und Vermehrungsmaterial für die Insekten und Pilze bietet. Die gestressten Bäume können sich gegen die unzähligen Insekten aus eigener Kraft nicht mehr wehren. Im Durchschnitt produziert der „moderne“ Mensch 8,9 Tonnen CO² im Jahr. Man benötigt etwa 1,8 Hektar Wald zur Kompensation.