28.11.2024
Pfarrer Reichelt ist im Ruhestand

(rb). Mit großer Zufriedenheit blickt Hansgünter Reichelt auf seine langjährige Tätigkeit als Pfarrer in Stadtilm zurück:

„Es ist viel vorzeigbar an und in unserer Kirche St. Marien.“ Er habe während seiner Dienstzeit wiederholt Gruppen mit Kindern im Rahmen des Religions- und Konfirmandenunterrichts durch die Kirche geführt: „Die haben mich dann regelrecht Löcher in den Bauch gefragt.“ Zum Pfarrbereich gehören seit 2013 auch die Gemeinden in Dienstedt, Groß- und Kleinhettstedt, Nieder- und Oberwillingen und Behringen.

Froh ist Reichelt auch über die gute Zusammenarbeit mit den katholischen Christen von Stadtilm und Umgebung, denn: Egal ob Kirchenchor oder Weltgebetstag – das habe immer gemeinsam gut funktioniert. Besonders lebhaft ist dem Theologen in diesem Zusammenhang ein Gottesdienst am 08. Mai 2005 in Erinnerung. 60 Jahre nach Kriegsende habe man damals ein Partnerschaftstreffen mit Gemeinden aus England, Frankreich und Baden-Württemberg in Stadtilm organisiert. „Es war sehr bewegend, diesen Gedenkgottesdienst gemeinsam mit Menschen aus den ehemals verfeindeten Kriegsnationen und den unterschiedlichsten Konfessionen feiern zu können“, erinnert sich Reichelt.

Weitere Höhepunkte seiner Amtszeit seien Feste gewesen, die zu Ehren von Philipp Melanchthon (Reformator) und Friedrich Fröbel (Kindergarten-Gründer) organisiert worden seien. So weise am Eingangsportal der Stadtilmer Kirche eine Skulptur von Melanchthon auf diesen oft im Schatten Luthers stehenden Reformator hin. Und Friedrich Fröbel habe mehrere Jahre seiner Kindheit in Stadtilm verbracht und immer wieder St. Marien besucht, unterstreicht der Pfarrer.

Dem 66Jährigen ist – nicht ungewöhnlich in der DDR – die Theologenlaufbahn nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Zunächst machte er bei Fa. Böhm (Gotha) eine Ausbildung zum Orgelbauer. Doch während seines Wehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee, den er rückblickend als „keine gute Zeit“ bezeichnet, entschied er sich für ein Studium der Theologie

Zwischen 1980 und 1992 wurde daher das Theologische Seminar (später Kirchliche Hochschule) in Leipzig zu Reichelts zweiter Heimat. Hier holte er das Abitur nach, studierte und promovierte; zwischendurch absolvierte er in zwei Leipziger Gemeinden sein Vikariat, den Praxisteil des Theologiestudiums. Das Theologische Seminar erlebte Reichelt als „Insel im roten Meer“, wie es ein bekannter ostdeutscher Theologe einmal formulierte, denn es habe dort eine Atmosphäre der Meinungsfreiheit und Pluralität, eine für DDR-Verhältnisse sehr gut bestückte Bibliothek sowie immer wieder Gastvorlesungen von Westdozenten gegeben, die seinen Horizont enorm erweitert hätten.

In Leipzig lernte Hansgünter Reichelt auch seine Frau kennen. Beide heirateten 1985; sechs Jahre später wurde ihre Tochter geboren. In der Messestadt erlebte der damals frischgebackene Theologe 1989 auch die Massendemonstrationen, die zur Friedlichen Revolution führten. „Man war hin- und hergerissen zwischen der eigenen Angst und dem Gefühl ‚So kann‘s nicht weitergehen!‘. Prophetische Texte der Bibel sprachen plötzlich unmittelbar in die Situation“, erinnert sich Reichelt.

In Stadtilm, wo er 1992 die Pfarrstelle antrat, sei manches anders gewesen als in den Leipziger Stadtgemeinden, aber über die Jahre habe er die hier entstandenen Beziehungen und Bindungen sehr schätzen gelernt. Nicht vermissen werde er in seinem Ruhestand allerdings die Beschäftigung mit Bausachen: „Viele Gespräche und Formalitäten waren erforderlich, um etwas zu erreichen, aber das kostete unheimlich viel Zeit und war mitunter auch sehr mühsam.“

Die Pfarrstelle in Stadtilm wird zukünftig von Pfarrerin Therese Roppel betreut.