08.07.2020
Miteinander reden

Unter dem Motto "Für mehr Herzlichkeit" fand am Montag, 06.07.20 auf dem Arnstädter Marktplatz eine Demonstration statt, während zeitgleich auf dem Holzmarkt die AfD eine Demonstration unter dem Motto ""Corona: Die Krise nach der Krise - vom Versagen der Bundes- und Landesregierung" abhielt. Auf dem Marktplatz sprachen sich zahlreiche Redner*innen für Toleranz, Demokratie und Weltoffenheit, gegen Rassismus, Diskriminierung und Hetze aus, darunter auch Superintendentin Elke Rosenthal. Ihre Rede im Wortlaut:  

"Manchmal denk ich, wir reden einfach nicht genug miteinander. Es gibt so viel Kälte und Hass in unserer Gesellschaft. Woher kommt das? Welche Geschichten stecken dahinter? Und wie können wir zusammen den Hass überwinden?

Als ich neulich nach Hause ging, da sah ich sie wieder. Die Gruppe, viele schwarz gekleidet und schweigend beieinanderstehend, manche auf Abstand und mit Mundschutz, aber die meisten ohne. Ich kam vom Einkauf und da stellte ich meine Taschen einfach ab und fragte eine Frau, die offenbar dazu gehörte. Sagte, ich hätte die Gruppe jetzt schon öfter gesehen, was das denn eigentlich für eine Veranstaltung sei. Sie erklärte mir, dass sie für die Grundrechte spazieren gingen...
Wir kamen ins Gespräch. Ich hörte zu und fragte nach. Dann sagte ich, dass ich die Dinge anders sehe. Dass ich froh bin, dass unsere Regierungen so besonnen gehandelt haben. Und dass ich dankbar bin, dass die Menschen sich an die Regeln gehalten haben. Und dass es uns gemeinsam gelungen ist, die Pandemie in Schach zu halten. Deshalb ist es bei uns nicht so schlimm geworden wie in Italien oder in den USA. Und natürlich auch, weil wir ein besseres und sozialeres Gesundheitssystem haben.

Und dann kamen Sätze wie wie: Diese Pandemie ist doch nicht schlimmer als eine Grippe. Da kenne ich andere Geschichten, hab ich ihr gesagt.

Wir haben unsere Meinungen ausgetauscht. Jedenfalls ansatzweise. Uns nicht gestritten. Beide konnten wir sagen: Ich habe eine andere Sicht auf die Dinge. Das fand ich gut.
Wir sollten mehr miteinander reden. Einfach so auf der Straße.

Ich bin Christin. Ich finde es wichtig, dass wir uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen. Jesus hat das auch gemacht. Er hat zugehört und dann hat er seine Geschichten erzählt. Darin ging es immer um Liebe. Um Zuhören. Um Vergebung. Um Hilfe. Um Vertrauen. Um neu anfangen. Darum, gemeinsam etwas zu bewirken. Dass niemand ausgegrenzt wird oder abgehängt. Dass wir uns nicht spalten lassen. Dass wir Menschen uns umeinander kümmern. Keinen aufgeben. Keinen!
Dass alle Menschen von Gott geliebt sind. Egal woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen und welche Hautfarbe sie haben. Und egal, woran sie glauben. Gott liebt sie. Punkt.

Ich möchte einen Text lesen, der von meiner Kirche ist. Er ist mir sehr wichtig.

'Die Bibel verkündet die von Gott allen geschenkte Menschenwürde und widerspricht damit der von Rechtsextremisten verbreiteten Ideologie, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts weniger Wert hätten als andere. Die Bibel verkündet die Liebe Gottes zu seinem Volk Israel. In diese Liebe sind in Jesus Christus alle Völker eingeschlossen. Damit widerspricht die Bibel jeder Form des Antisemitismus und des Rassismus. Auf der Grundlage des biblischen Zeugnisses stellt die Kirchenleitung fest, dass Rechtsextremismus und christlicher Glaube unvereinbar sind. Wir bekennen uns zur Gewaltlosigkeit, zur Nächstenliebe und zur Versöhnung. Dazu verpflichtet uns die biblische Botschaft. So stehen wir an der Seite derer, die bedroht, herabgewürdigt und ausgegrenzt werden. Nächstenliebe verlangt Klarheit.
Weder Überforderung, allgemeine Unzufriedenheit noch Ängste rechtfertigen ausländerfeindliche, rassistische und menschenverachtende Reden oder Taten. Wir werden uns deshalb als Evangelische Kirche in Mitteldeutschland gegen jeden Angriff auf Einzelne, Bevölkerungsgruppen und Minderheiten stellen.
Wir danken all denen, die für ein weltoffenes, demokratisches und menschenfreundliches Land eintreten, sich mit Courage für ein respektvolles Miteinander einsetzen und dabei riskieren, zur Zielscheibe von Hass und Gewalt zu werden. ...
Nächstenliebe verlangt Klarheit. Dazu gehört, Probleme ernstzunehmen und auf Menschen zu hören, die von Ängsten getrieben werden. Deshalb bitten wir die Gemeinden und Einrichtungen unserer Landeskirche, Orte der Begegnung und des Gesprächs anzubieten. Nächstenliebe verlangt Klarheit.'  

Danke für‘s Zuhören und für Ihr Hiersein.

Originaltext der EKM-Erklärung "Nächstenliebe verlangt Klarheit" im Download-Bereich

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