09.05.2020
"Corona" trotzen

Die Corona-Pandemie: für viele Kirchengemeinden deprimierend und ein drastischer Einschnitt im Gemeindeleben. Eine Handvoll Gläubiger am Rande des Thüringer Waldes wollte sich damit aber nicht zufrieden geben und produziert nun bereits den achten Online-Gottesdienst in Folge.

„Wir machen‘s, solange wir können“, meint Magdalene Franz-Fastner in aller Bescheidenheit. Und hinter dem „Wir“ scheint das Erfolgsrezept der Ilmenauer Pastorin und ihres Teams zu stecken: Gemeinsam mit ihrem Pfarrerkollegen Andreas Wucher, dem Gemeindepädagogen Andreas Müller, Kantor Hans-Jürgen Freitag und weiteren, teils wechselnden Mitstreitern ringt Franz-Fastner Woche für Woche um neue Ideen, um der Corona-Krise zu trotzen.

„Unser erster Gottesdienst Ende März folgte noch sehr dem klassischen Ablauf und war deutlich zu lang“, räumt die Pastorin ein. „Aber wir schauen uns unsere eigenen Videos und auch die von Kollegen kritisch an und versuchen, aus den Fehlern zu lernen.“ Man treffe sich dazu einmal pro Woche und tausche sich über Rückmeldungen zum vorherigen Online-Gottesdienst aus. „Daraus stricken wir dann das Konzept fürs nächste Video“, verrät Franz-Fastner das Erfolgsrezept.

Der Gedankenaustausch dazu funktioniere erstaunlich gut, obwohl ja deutlich mehr Leute beteiligt seien. Sonst tauschten sich meist nur Pastorin bzw. Pfarrer und Kantor aus, wenn es um die Gottesdienst-Planung gehe, aber hier sei echte Teamarbeit gefragt. „Das ist etwas, das wir uns auch für die Zeit nach ‚Corona‘ bewahren möchten, denn das ist eine wirkliche Bereicherung“, betont die Theologin.

Und dieser Teamgeist scheint ansteckend zu wirken: Nicht nur, dass bei einem der letzten Gottesdienste gleich fünfzehn Fürbitten von Konfirmanden per Sprachnachricht eintrafen. Das gesamte Online-Angebot wäre praktisch undenkbar ohne das ehrenamtliche Engagement zweier junger Leute. Florian und Benjamin Karg (Ilmenau) sind die „guten Geister“, die in unermüdlicher Puzzle-Arbeit aus Video- und Ton-Schnipseln einen Film zusammenfügen. Die beiden Brüder sind die Söhne von Andrea Karg, die seit Herbst letzten Jahres Mitglied im Gemeindekirchenrat ist und den Kontakt herstellte.

„Wir machen beide selbst seit Jahren Musik – ursprünglich Schlagzeug und Bass, aber inzwischen vor allem über unsere Digital Audio Workstation“, eine Art digitales Tonstudio, wie Florian Karg erklärt. Als älterer von beiden Brüdern studiert er an der Hochschule Mittweida das Fach „Media and Acoustical Engineering“, übersetzt in etwa „Medien-Ingenieurwesen“, und ist damit einschlägig vorbelastet – im positiven Sinne. Sein jüngerer Bruder Benjamin bedient hingegen bei den Aufnahmen die Kamera- und Tontechnik.

Beide verbringen bis zu vier Tage pro Woche mit der Produktion eines Online-Angebots, egal ob halbstündiger Gottesdienst oder 15-Minuten-Andacht. „Anfangs habe ich noch mehr als 25 Stunden an einem Video gesessen; inzwischen ist es deutlich weniger“, bekennt Florian Karg. Er sieht sein Engagement als willkommenen Ersatz für ein Praktikumssemester, das wegen „Corona“ ausgefallen sei. „Man lernt unheimlich dabei – und kommt mal raus aus den eigenen vier Wänden“, beschreibt er die Vorteile.

Beide Brüder feierten in Ilmenau ihre Konfirmation, Benjamin ist noch in der Jungen Gemeinde engagiert. Und so sei es für beide selbstverständlich, sich für eine gute Sache zu einzusetzen. Neben dem Reiz der Technik spiele für sie der gute Teamgeist eine große Rolle: „Es macht einfach Spaß, mit den anderen zusammenzuarbeiten.“

Das sieht auch Andi Müller so: „Ohne die Ideen der Brüder Karg ginge gar nichts. Die inspirieren uns auch mit ihrem Mut zu Außergewöhnlichem“, meint der Ilmenauer Gemeindepädagoge. Doch am motivierendsten sei für sie alle das positive Feedback, das sie bekämen: „Wir geben uns Mühe, bieten auch vielfältige Musik, das kommt gut an. Bis zu 800 Klicks für einen einzigen Gottesdienst – das ist traumhaft“, freut sich Müller. Mit den anderen ist er sich inzwischen einig, dass man das Online-Angebot auch über die Pandemie-Zeit hinaus beibehalten wolle – dann allerdings nicht mehr wöchentlich.

Doch was ist mit Senioren, die nicht online gehen können oder wollen? Auch für die hat die Ilmenauer Kirchengemeinde ein Angebot: Sie können Sonntag vormittag über den Lokalsender „radio hsf“ den Gottesdienst über UKW-Radio hören – dank einer Extra-Tonspur, die bei der Video-Produktion gleich mit angelegt wird. „Da immer Ansagen zu den Drehorten gemacht werden, geht das wunderbar auch ohne Bild und ist echtes ‚Kino im Kopf‘“, freut sich Christian Koch von „radio hsf“, dem Studentenradio der TU Ilmenau.

Der Vereinsvorstand des Senders habe sich vor Ostern schnell und unkompliziert für die Übertragung entschieden, denn: „Wir sind ja auch eine Art Bürgerradio. Und uns hat bewegt, dass die Kirchengemeinde durch die Corona-Krise nun zu ihrem höchsten Fest ohne Gottesdienst dastehen sollte. Das wollten wir verhindern“, meint der Informatiker.

„Viele – gerade ältere – Leute sind für die Übertragung richtig dankbar und warten schon sehnlichst auf die nächste Sendung“, hat Pastorin Franz-Fastner erlebt. Dem Ilmenauer Team bleibt da nur zu wünschen, dass ihm so schnell nicht die Luft ausgeht.

Gottesdienst per „Radio hsf“: UKW 98,1 MHz in Ilmenau und Umgebung – sonntags 10–11 Uhr oder als Stream unter http://www.radio-hsf.de/

Gottesdienst online: https://www.youtube.com/channel/UCvUcbXIdnhp77BCKuWJ0BPg