25.05.2016
Bach an der Ilm

Der Bachchor Ilmenau feiert sein 70jähriges Jubiläum - und Sie sind eingeladen! Am Freitag, 27.05.16 findet um 19:30 Uhr in der Jakobuskirche ein Festkonzert statt, und am Sonntag, 29.05.16 um 10:00 Uhr ein Festgottesdienst, ebenfalls in St. Jakobus.

Konzertprogramm für Freitag, 27.05.16 um 19:30 Uhr:
Chormusik von J. S. Bach bis Maurice Duruflè
R. Schumann "Kinderszenen", transkribiert für Orgel
Alan Hovhaness "The Prayer of Saint Gregory" für Trompete und Orgel
Bachchor Ilmenau mit ehemaligen Sängerinnen und Sängern
Orgel: Jörg Reddin und Hans-Jürgen Freitag
Trompete: Fabian Zocher
Leitung: Hans-Jürgen Freitag
Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Am Sonntag, 29.05.2016, 10:00 Uhr gibt es einen Festgottesdienst in der St. Jakobuskirche. Eine Ausstellung "70 Jahre Bachchor Ilmenau" ist bis zum 31.05.16 täglich in der St. Jakobuskirche während der "Offenen Kirche" (11-17 Uhr) zu besichtigen.

 

70 Jahre und dabei taufrisch

Gedanken zum Jubiläum des Bachchores Ilmenau

- eine Huldigung des Kantors -

Der Ilmenauer Bachchor feiert am letzten Maiwochenende sein 70jähriges Bestehen. Kaum zu glauben, dass der Jubilar dabei so agil, frisch und geradezu in der Blüte seiner Kraft erscheint. Bei 70 Jahren würde man doch zunächst mit einem anderen Erscheinungsbild rechnen.

Als ich den Ilmenauer Bachchor kennenlernte, das war Ende des vorigen Jahrtausends, hätte ich nicht gedacht, dass wir einmal eine so lange und innige Beziehung führen würden. Im Spätsommer 1999 hatte ich mich in Ilmenau als Kantor beworben, im Herbst hörte ich das Mozart-Requiem mit dem Bachchor. Auch da war der Chor schon kein Jüngling mehr, er war ein bisschen älter als ich heute bin. Tatsächlich ist der Chor sogar älter als die Bundesrepublik Deutschland.

Schon in seiner Gründungsphase muss er ziemlich hörenswert gewesen sein, immerhin sind in den späten 1940er Jahren bereits Werke wie etwa Haydns Schöpfung musiziert worden. 1.200 Menschen sollen da im Konzert gewesen sein. Aber ich will von meinen eigenen Erfahrungen mit dem Chor reden; in immerhin mehr als 16 Jahren.

Was haben wir nicht alles zusammen erlebt. Ich lasse nur mal einen kleinen Teil der Jahre Revue passieren und komme allein auf bestimmt mehr als 1.000 Stunden regulärer Probe - die Sonderproben und Probenwochenenden gar nicht gerechnet. Verreist sind wir, nach Öhringen, nach Görlitz, nach Carcassonne in Südfrankreich oder auch einfach nur in die nähere Umgebung.

Jedes Jahr feiern wir zusammmen den Beginn des Heiligabends mit der Christvesper in der Jakobuskirche oder besinnen uns am Karfreitag oder am Ewigkeitssonntag auf die tiefen ernsten Dinge. Manchmal sind wir auch einfach Biertrinken gegangen. Wie viele Menschen ich kennengelernt habe, wie viel Vertrauen, wie viel Spaß und Unsinn, wie viel Freundschaft, Lachen und Ernsthaftigkeit. Klar, manchmal war’s auch nicht einfach mit uns und doof wars manchmal auch, aber das ist in einer ehrlichen Beziehung eben bisweilen so.

Eine Sache aber gab und gibt es, die bringt uns immer wieder auf den Punkt, auf den gemeinsamen Nenner. Das ist unser Besitz, unsere Basis, unser Schatz: das Singen miteinander. Tatsächlich geschieht hier etwas ganz Wunderbares. Aus dem Vermögen der Sängerin oder des Sängers (das manchmal vielleicht gar nicht einmal so groß ist) bildet sich mit den Anderen zusammen ein klingendes Gebäude, von dem man nicht gedacht hätte, hier sich einmal drin aufhalten oder sogar wohnen zu können: Da sind Prachtschlösser wie das Bachsche Weihnachtsoratorium oder das Brahms-Requiem, kleine herrlich-heimelige Häuschen wie manche Motetten der frühen Romantik oder schlichte Liedsätze, die doch einen Moment der Geborgenheit ermöglichen können.

Der klingende Atem der oder des Einzelnen schafft im Zusammentun mit den anderen Einzelnen eine neue Qualität: Zusammen-Singen über sich selbst hinaus. Das passiert im Konzert (das sind die ganz großen Feste), im Gottesdienst, auch in Trauerfeiern oder einfach in der ganz normalen Probe. Wie oft habe ich nach dem Singen noch allein im Kopf mit den anderen weitergesungen. Dazu braucht man nicht mal ein Smartphone (Chorsänger kennnen das, die anderen sind eigentlich zu bedauern).

Jetzt könnte ich voll Stolz die in den letzten 70 Jahren gesungenen Werke aufführen - von Bach bis Barbe, von Mozart bis Mendelssohn, von Haydn bis Händel. Ich verkneife mir das und begnüge mich mit dem oft gesungenen dritten Teil des Weihnachtsoratoriums.

Dessen Anfang heißt „Herrscher des Himmels erhöre das Lallen, laß dir die matten Gesän- ge gefallen...“ Was schreibt denn der Bach da nur? Ist das „fishing for compliments" nach dem Motto: das ist doch gar kein Lallen, die Gesänge sind doch gar nicht matt?

Ich glaube, Bach will etwas anderes ausdrücken: Vor der höheren und letztgültigen Wirklichkeit Gottes relativiert sich selbst diese wundervolle Musik, aber gleichzeitig ist sie ein, vielleicht nur schwacher, Abglanz dieser höchsten Herrlichkeit. Das ist natürlich ein steiler Satz, dennoch halte ich ihn für wahr.

Das ist übrigens, glaube ich, auch der Grund, warum 70 Jahre für einen Chor wie den Bachchor wirklich gar kein Alter sind. (Der Dresdener Kreuzchor etwa hat dieses Jahr seinen 800. Geburtstag.) In der Nähe solchen Glanzes altert man nicht in dem Sinne, dass die Gesänge ermatten, sondern eher so, wie ein sehr guter Wein altert, er wird immer reifer und dabei dabei immer schöner und angenehmer. Nur ist in unserem Falle viel mehr Zeit. Wir peilen in aller Ruhe schon mal die Hundert an.

Übrigens, wenn Sie es mal probieren wollen: wir proben Dienstags von 19:30 Uhr bis 21:30 Uhr im Gemeindehaus (Kirchplatz 1). Kommen Sie doch einfach zu einer Probe vorbei. Es lohnt sich.

Hans-­Jürgen Freitag (amtierender musikalischer Leiter des Ilmenauer Bachchores)