Sozialer Kaffee
„Na, hast du wieder einen Sozialkaffee getrunken?“, fragt einer der Bediensteten den Inhaftierten, als ich ihn zurück auf das Hafthaus bringe.
Gerade haben wir in der kleinen anstaltseigenen Kirche miteinander ein Gespräch geführt. „Cappuccino“, sage ich mit einem Augenzwinkern, „Herr X trinkt immer Cappuccino.“ Inzwischen weiß ich bei vielen meiner Gesprächspartner, ob sie lieber Kaffee oder Cappuccino trinken. Mancher will Zucker, ein Anderer gar nichts. Jeder hat so seine Vorlieben. Wer zu mir zum Gespräch kommt, hat auf jeden Fall immer die Chance auf einen „Sozialkaffee“ (oder auch „Sozialtee“).
Ich finde: Das gehört dazu. Daheim biete ich meinen Gästen ja auch immer etwas zum Trinken an. Das lockert die Atmosphäre ganz von allein, der Gesprächspartner fühlt sich mit seinen Bedürfnissen ernst genommen und manchmal braucht es die Tasse auch einfach nur zum Festhalten. Das bestätigt: Kaffee hat natürlich eine große soziale Komponente – da hat der Bedienstete Recht. Das Angebot eines Kaffees zeigt meinem Gesprächspartner, dass ich die kommende Zeit (mindestens eine Tasse lang) für ihn oder sie reserviert habe: Ich bin für dich da. Jetzt. In diesem Moment. Ich höre dir zu.
Vielleicht wäre das ja ein Vorhaben für die Zukunft: Immer, wenn ich mit jemandem in ein Gespräch gehe, gehört auch ein Getränk dazu. Manche würden jetzt, in der Fastenzeit, vielleicht eher zum Tee greifen. Und dann und wann würde ich aufgrund der Vielzahl von Gesprächen eventuell auch auf Wasser umsteigen – dem Magen zuliebe. Aber immer: ein Getränk. Immer das Zeichen: Jetzt bin ich ganz für dich da. Lass uns in Ruhe reden. Ganz entschleunigt. Ganz im Hier und Jetzt. Lass uns einander ernstnehmen. Lass uns aufeinander hören.
Mir ist klar: das wird nicht immer klappen. Manchmal drückt schon der nächste Termin. Aber vielleicht schaffe ich es ja doch öfter als bisher: ganz entschleunigt mit meinem Gegenüber einen Kaffee trinken. Ganz beieinander. Ganz wahrnehmend und wertschätzend. Eben: ganz sozial.
Helfried Maas, Gefängnisseelsorger in der JVA Arnstadt
