Selbstliebe
Ende Januar, das neue Jahr ist schon wieder ein paar Wochen alt.
Diesmal hatte ich meine Probleme mit dem Jahreswechsel. Eigentlich mag ich den Übergang von einem Jahr in das andere. Es ist eine besondere Stimmung, die sich in mir breit macht am Silvestertag. Der Blick zurück auf das, was gewesen ist und die Neugier auf das, was kommen wird. Diesmal machte mich der Blick nach vorne unruhig. Was wird das neue Jahr bringen? Bei der politischen Weltlage, der Situation in unserem Land, dem Zustand unserer Erde – was soll werden? Kann das gut werden?
Der Silvestertag lädt auch ein, nach sich selbst zu schauen. Sind nicht ein paar Vorsätze fällig? Ein paar Kilo zuviel? Gesünder essen und mehr bewegen? Der Blick auf sich selbst ist meist kein wohlwollender. Wären Sie auch gerne schlanker, attraktiver, musikalischer, politisch engagierter, wortgewandter, großzügiger, technisch begabter, modischer, allgemeingebildeter, belesener, sportlicher …? Wollten Sie schon letztes Jahr mehr Zeit einplanen für Familie, Freunde, ehrenamtliches Engagement? Hatten Sie sich vorgenommen, weniger Zeit mit dem Handy, Computer und Fernseher zu verbringen?
Gibt es etwas, was schon lange auf der Seele liegt und darauf wartet, gesehen zu werden? Hat es letztes Jahr wieder nicht geklappt mit dem klärenden Gespräch, der Bitte um Verzeihung, hatten Sie Angst, auf den anderen zuzugehen?
Schauen wir auf uns selbst, sind wir nie genug. Wir vergleichen uns mit anderen und sind unzufrieden. Wir schaffen es nicht, uns und das, was wir sind und wie wir sind, zu mögen.
Mir ist vor zwei Wochen die Frage begegnet: „Wenn Gott für dich ist, wie kannst du dann gegen dich sein? (die Bibel in Anlehnung an Römer 8,31)“. Die Frage hat mich sehr berührt. Ich habe mich fast ertappt, aber auch getröstet gefühlt. Gott hat mich so gemacht, wie ich bin, mit meinem Aussehen und allem, was ich kann, gut kann oder auch nicht so gut. Er liebt mich, wie ich bin und das schon immer. Ich muss für mich sorgen und auf mich aufpassen, das ist klar. Gott ist für mich, ich darf mich mögen und muss nicht gegen mich sein. Wieso vergesse ich das immer wieder?
Wenn ich mich selbst lieben kann, ist es auch mit dem Auftrag Jesu einfacher: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ Akzeptiere ich mich mit Haut und Haar, bin ich in der Lage, die Menschen um mich herum wahrzunehmen, empathisch zu sein, zu sehen, was sie brauchen. Dadurch verändert sich die Welt. Frieden, Toleranz, Freiheit, Nächstenliebe, Gleichberechtigung – all das fängt im Kleinen bei jedem von uns selbst an. Es wächst und wird spürbar, in unserer direkten Umgebung, unserem Ort, dem Ilm-Kreis, Thüringen … Das macht Hoffnung auf eine bessere Welt.
„Wenn Gott für dich ist, wie kannst du dann gegen dich sein?“ Wenn Sie morgens in den Spiegel schauen, nicken Sie sich doch freundlich zu, lächelnd, mit einem Augenzwinkern. Irgendwann schaffen Sie es dann zu sagen:“ Ich mag dich, du bist toll, wie du bist!“
Christiane Sachse, Gemeindepädagogin im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau