Gewissheit
Im Kirchenkreis Arnstadt-Ilmenau gibt es eine große Anzahl von Kirchen.
Fast jeder Ort besitzt solch eine Kostbarkeit. Der großzügige Kirchenbau in Böhlen bei Großbreitenbach machte auf mich einen gewaltigen Eindruck, so dass ich bei einem Besuch nur ganz zaghaft die oberen Emporen betrat.
Wer von Ihnen nicht schwindelfrei ist, weiß wovon ich spreche. Ich klammerte mich an die Brüstung und schaute hinunter ins Kirchenschiff. Hinter der Kanzel erblickte ich ein Buntglasfenster. Auf dem Fenster waren die Worte aus dem 1. Korintherbrief 13, 13 dargestellt: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Eine Frau gesellte sich zu mir, wies auf das Fenster und sagte: „Das ist mein Konfirmationsspruch!“ Verschmitzt lächelnd, schaute sie mich an und raunte: „Das ist auch nur so ein Spruch. In meinem Leben gibt es keine Liebe, daher auch kein Vertrauen und keine Hoffnung! Na, was sagen Sie nun?“ Ja, was sagt man, wenn jemand das Leben in solch dunklen Farben malt? Ich versprach der Frau, sie zu besuchen, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Noch lange arbeiteten ihre Worte in mir weiter.
In Zeiten, in denen Krisen von ungeahntem Ausmaß bewältigt werden müssen, ist es verständlich, dass wir bis ins Mark erschüttert werden. Da legt sich die Angst wie eine Taubheit über die Seele und man meint nichts mehr von der Schönheit des Lebens spüren zu können und auch nichts von der alles durchdringenden Liebe Gottes. Trostlosigkeit breitet sich aus.
Woher kommt ein Zuspruch, der eben nicht nur ein schöner Spruch ist? Als Pastorin spreche ich die Worte aus dem Korintherbrief zur Konfirmation oder beim Abschied am Grab Menschen zu. Ich glaube, dass die Worte der Bibel trösten können, weil sie eine Gewissheit in sich tragen.
Es ist die Gewissheit, dass Gott uns Vertrauen schenkt und wir dies an die Menschen weitergeben können, dass er uns Hoffnung macht und wir Zukunft gewinnen, die nicht auf Kosten von anderen durchgeboxt wird, dass Gott uns mit der Kraft der Liebe begabt und wir nicht in Angst, Gefühlstaubheit und Hass versinken müssen.
Der Frau, die mich in der Kirche zu Böhlen auf die Spannung zwischen dem Wort der Bibel und ihrer Wirklichkeit hinwies, bin ich bis heute dankbar.
Cornelia Engelke, Pastorin im Pfarrbereich Marlishausen