Getauft

Zurzeit gibt es viele Tauffeste – sie sind "in".

Es wird getauft, was das Zeug hält. Nachgeholte Taufen aus den Coronasommern. Taufen draußen - an einem See, am Meer. In Erfurt wird in der Gera, unterhalb der Krämerbrücke, getauft, ja, auch in unserem Kirchenkreis wurden schon Kinder in der Gera getauft!
Das sind schöne, fröhliche Feste in der Öffentlichkeit mit vielen Menschen, die mitfeiern und solchen, die zufällig vorbeikommen und zugucken. Einen Pfarrer mit Talar im Wasser sieht man nicht so oft - und Menschen, die ganz untergetaucht werden – wenn der Wasserpegel es zulässt ;=)) Herrliche Bilder entstehen!

Nicht alle Menschen fühlen sich im Gottesdienst zuhause. Liturgie ist ihnen fremd. Eine Taufe draußen in der Natur, mit einfachen Worten und Gesten, kommt ihnen entgegen - da ist der Zugang leichter. Sie möchten doch auch das gute Wort Gottes über ihr Leben hören oder dem ihres Kindes: Du bist Gottes geliebtes Kind. Und Jesus geht mit Dir mit.

Die Worte des Apostels Paulus hingegen aus seinem Brief an die Gemeinde in Rom über die Bedeutung der Taufe sind ein ziemlicher Kontrast zu den fröhlichen Tauffesten, die zurzeit en vogue sind:

(Römer 6, 3-8a)
Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. 5 Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. 8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.

Das ist schwere Kost.
Ich vermute, diese Worte des Paulus werden bei öffentlichen Tauffesten eher selten gelesen. Welcher Pfarrer möchte die jungen Familien, wenn sie ein Kind zur Taufe bringen, mit Gedanken an das Sterben und den Tod konfrontieren? Welche Eltern möchten so etwas hören in diesem Moment?

Die Worte des Paulus sind Schwarzbrot, da muss man schon eine Weile kauen, um ihre Süße zu schmecken. Aber wir feiern ja heute keine Taufe, darum nutzen wir die Gelegenheit, uns den Gedanken des Paulus zu stellen. Vielleicht führen sie uns ein wenig tiefer hinein in das Geheimnis der Taufe.

Das griechische Wort für „taufen“ heißt wörtlich übersetzt eintauchen, bezieht sich also bei Paulus immer auf den Ritus des Untertauchens.  So wie es im jüdischen Taufritus gehandhabt wurde. Wie bei Jesus durch den Täufer Johannes: Johannes drückte die Menschen sanft hinunter in das Wasser, mit Haut und Haar, mit Kopf und Kragen wurden sie unter Wasser gedrückt – für einen Moment. Da kann man nicht mehr atmen, da ist man einen Moment dem Tode nahe. Diese Nähe zum Tod erleben die Täuflinge beim Untertauchen. Und sie erfahren, wie es ist, wieder an die Luft geholt zu werden. Das ist wie Neuschöpfung, wie Auferstehung.

Manchmal stelle ich mir vor, wie es sein wird, wenn ich sterbe. So wie ich mich das in Bezug auf meine Mutter gefragt habe, als ich sie auf ihrem letzten Weg begleitete. Wie wird es am Ende sein, wenn sie geht? Werde ich dabei sein? Oder wird sie den Moment nutzen, zu gehen, wenn niemand an ihrem Bett sitzt – vielleicht weil es dann leichter ist, wenn man von niemandem berührt wird? Wie wird es sein, wenn sie stirbt? Diese Frage hat mich beschäftigt.

Heute ist es manchmal die Frage: Wie wird es sein, wenn ich sterbe? Werde ich es merken? Oder werde ich wie im Blindflug hinübergetragen werden? Geburt und Tod – das sind große Tage. Auch die Taufe ist ein großer Tag.

Paulus schenkt mir heute ein Bild: ich bin in meiner Taufe schon einen Tod gestorben. Mit Christus. Seinen Tod bin ich in meiner Taufe mitgestorben. Und mit ihm werde ich in seiner Auferstehung auferstehen zu neuem Leben.

Mir ist das ja gar nicht bewusst. Ich habe das ja gar nicht gespürt. Und es ist ja bloß ein theologischer Gedanke des Paulus, der mir heute entgegenkommt in der Schrift. Den ich heute einmal für mich drehen und wenden will. Den ich langsam kauen will, um ihn zu schmecken.

Ich spüre, dass dieser Gedanke mich berührt. Ich merke, wie meine Frage nach meinem eigenen Sterben etwas kleiner wird, etwas weniger bedrohlich. Ja, irgendwann wird es so weit sein. Einen Tod bin ich ja schon gestorben. Mit Christus. Dann wird auch der zweite Tod mich nicht von ihm trennen.

Die Theologen haben ein Wort dafür. Sie nennen das Christusmystik. Es ist die Vorstellung, dass unser Leben sich aufs Engste mit Christus verbindet im Glauben. Paulus schreibt auch häufig in seinen Briefen: wir sind „in“ Christus, als wäre Christus ein Raum, in dem wir leben. Eine Sphäre, eine Wirklichkeit, in der andere Dinge zählen. Nicht leisten, sondern empfangen, vertrauen, lieben, vergeben, anerkennen, dass ich mein Leben einfach nicht in der Hand habe. Dass ich alles, was ich bin und habe, einem anderen verdanke.

„Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind im Tod, (also in der Taufe), ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir mit ihm auch in der Auferstehung gleich sein“, schreibt Paulus.

Das Bild vom Zusammenwachsen mit Christus in der Taufe ist auch ein mystisches Bild. Zusammenwachsen mit Christus? Da ist noch viel Luft nach oben. Auch bei mir. Und dass ich die Sünde so ganz und gar hinter mir gelassen hätte, kann ich auch nicht wirklich behaupten.
Unser Leben lang bleiben wir Lernende. Wir müssen uns, um in Christus zu bleiben, immer wieder in die Schrift vertiefen, immer wieder hören, umkehren und uns vergewissern: ich bin getauft!

Die drei Kapitel im Römerbrief, Römer 6-8, machen auch ganz deutlich, was uns von Paulus trennt. Er lebte in einer Sklavengesellschaft. Es gab Sklaven und Freie – Menschen ohne Macht und Menschen mit Macht. Die meisten Gemeindeglieder in den urchristlichen Gemeinden waren Sklavinnen und Sklaven. Sie gehörten jemandem. Sie waren wie Sachen. Sie durften nichts besitzen. Sie mussten gehorchen.

Sklavinnen und Sklaven waren in den Gemeinden willkommen. In den christlichen Gemeinden ist nur Einer Herr. Diese Haltung war in der antiken Gesellschaft revolutionär! Die Taufe war für die Sklavinnen und Sklaven wie ein Herrschaftswechsel.

Paulus schreibt der Gemeinde in Rom: Mit eurer Taufe stellt ihr Euch unter eine andere Herrschaft. Ihr tretet in einen anderen Machtbereich ein: Euer Herr ist nun der König Jesus Christus, der Kyrios, der HERR, kein Caesar, kein Herr, der euch gekauft hat.

Der Raum des Christus, ist der neue Machtbereich, Paulus geht sogar so weit, dass er sagen kann: die Gemeinde ist der lebendige Christus, der Leib des Christus. Sie ist Eure Gegenwelt. Und wenn Ihr in Christus seid, kann Euch nichts zerstören. "Du gehörst zu Christus" sagen wir auch heute noch den Getauften zu. Die Gegenwelt ist eine Tatsache. Auch wenn man dich weiter als Sklaven quält und foltert und missbraucht, gehörst du zu Christus. ER gibt dir deine Würde. ER spricht das letzte Wort über dich. In diesem Raum sind alle gleich.

Auch wenn du aus der Kirche austrittst, gehört du noch zu Christus. So stark ist die Taufe. Niemand und nichts kann sie aufheben. Das ist etwas, was vielen Christen gerade in letzter Zeit zu schaffen machte in Bezug auf unseren Finanzminister, der, aus der katholischen Kirche ausgetreten, nun in einer evangelischen Kirche geheiratet hat – ohne in sie einzutreten. Wer austritt, behält die Taufe. Er behält das größte Ja, das über dem Leben steht: Du gehörst zu Christus. Dieses Wort kann niemand von dir nehmen. Die Taufe, jenes unsichtbare Wasserzeichen, lässt sich nicht von unserer Haut waschen. Du wirst sie nicht los. Du kannst versuchen, sie zu ignorieren, du musst der Kirche kein Geld mehr geben. Aber Christus wirst du nicht los.

Vielleicht sollten wir von der Großzügigkeit und der Hartnäckigkeit Gottes lernen. Schließlich geht es uns nicht darum, mir jedenfalls nicht, eine Kirche als Institution zu erhalten, sondern darum, das lebendig machende Evangelium weiterzugeben, jedem, der darum bittet.

Gott weiß schon, wohin er uns führt. Martin Luther schrieb es mit Kreide auf den Tisch: ich bin getauft. Drei Worte. Und die Tür zum Raum des Glaubens öffnete sich wieder.

Elke Rosenthal, Superintendentin des Kirchenkreises Arnstadt-Ilmenau