Ein neues Programm
Kantor Hans-Jürgen Freitag, Ilmenau
Klein-Fritzchen kommt aus der Schule und beschwert sich bei seiner Mutter: "Alle denken nur an sich, nur ich denk' an mich!" Die Selbst-Entlarvung in diesem Satz ist ja schon wieder richtig sympathisch. Anders sieht es aus, wenn etwa zukünftige oder amtierende Präsidenten oder auch andere Respektspersonen im Geiste eines solchen Satzes handeln.
Der Egoismus, wohin man auch guckt, ist allgegenwärtig und zieht sich wie ein roter Faden durch Politik, Geschichte, Wirtschaft und auch durch das ganz normale Alltagsleben. Jede und jeder sorgt für sich so gut es geht. So ist eben der Mensch. Das für-sich-selbst-Sorgen ist genetisches Programm, scheint Weltprogramm zu sein. So weit, so richtig; und doch kommen wir mit diesem Programm immer weiter auf den Holzweg. Unsere Gier, die Selbstsucht unserer ganzen Gesellschaft ist ja eine der Hauptursachen der gegenwärtigen Krisen und Katastrophen: Die selbstgemachte Klimaerwärmung, die Armut in Afrika, an der wir immer sehr gut verdient haben, die Instabilität im nahen Osten, befördert auch durch unser Bedürfnis nach billigem Öl, usw. All diese von uns (zumindest mit-) inszenierten Phä- nomene fallen auf uns zurück. Die Welt ist täglich stärker miteinander verflochten.
Spätestens unsere Kinder, aber wahrscheinlich auch noch wir selbt, werden die Auswirkungen unseres Egoismus ausbaden müssen. Einfach nur die Augen fest genug zu machen und nur für uns selber leben, funktioniert nicht mehr. Das vermeintliche genetische Programm verrät sich als untauglich.
Am kommenden Sonntag begehen evangelische Christen den Toten- oder Ewigkeitssonntag. Wir denken an die Verstorbenen, aber auch daran, dass diese Welt, wie sie nun mal ist, nicht das Maß aller Dinge ist. Die Mechanismen der Welt sind zwar gültig, und dabei ist der Tod ist das Ende, aber diese Welt ist nicht endgültig. Im Glaubensbekenntnis der frühen Kirche drückt sich das so aus: "Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das ewige Leben".
Ein neues Programm wird aufgestellt, die alten Gültigkeiten stellen sich ja immer mehr als nicht gültig heraus. Im Zentrum dieses neuen Programms steht das Christuswort "Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan". Ob dieses neue Programm hinhaut? Das andere jedenfalls hat nicht funktioniert. Wie es scheint, ist diese Zumutung die einzige Alternative zu Fritzchens "... nur ich denk' an mich".