Die Augen öffnen
Ohrenbetäubend laut schreit der blinde Mann aus der Menge: „Jesus, hilf mir!“ Langsam wendet sich Jesus ihm zu.
Er blickt den Mann an und merkt, der möchte noch so viel mehr rufen: „Mein Leben ist in eine Sackgasse geraten. Alle meiden mich. Ich kann nicht mehr so leben wie bisher!“
Jesus sagt: „Was willst du, das ich für dich tun soll?“ „Ich möchte sehen können!“, sagt der Blinde. Die Umstehenden denken erstaunt: Was der sich wünscht? Das kann ja gar nicht gehen. Doch das Wunderbare geschieht. Jesus geht nicht weiter. Er geht nicht zur Tagesordnung über.
Er nimmt die Bitte des Blinden ernst und fragt den Mann: „Wie heißt du?“ Der antwortet: „Bartimäus.“ Jesus hört nicht nur den Namen. Er nimmt auch das Leid, das mit dieser Lebensgeschichte verbunden ist, wahr. Barmherzigkeit erfüllt ihn, und er sagt aus tiefsten Herzen: „Sei sehend, Bartimäus! Dein Vertrauen hat dir geholfen.“
Sehend sein! Die Welt sehen, wie sie ist, wunderbar und doch oft so grausam. Wird Bartimäus das verkraften? Eine Wende vom Dunkel zum Licht vollzieht sich in seinem Leben, von der langen, bitteren Zeit der Benachteiligung, hin zur menschlichen Freiheit. „Ich bin Bartimäus! Ich kann sehen!“ wird er gejauchzt haben und dann hat er sich einen Spiegel gesucht, in dem er sein Gesicht sehen konnte.
Vielleicht hat nun seine Freude einen Dämpfer bekommen und er braucht Mut, einen zweiten Blick zu wagen. Der Realität ins Auge schauen, das kann schwierig werden. Man sieht doch auch die eigene Unzulänglichkeit. Jesus gibt Bartimäus nicht allein sein Augenlicht zurück, sondern auch tiefes Gottvertrauen.
Was wäre, wenn Jesus uns fragen würde: „Was willst du, das ich für dich tun soll?“ Was wäre unser größter Wunsch? Ich wünschte mir, Gott so zu vertrauen, dass mein Leben wieder neu werden kann, trotz meiner Unzulänglichkeiten. Jesus sagt: „Sei sehend! Die Zukunft liegt vor dir. Gestalte sie. Es ist dein Leben. Geh barmherzig mit dir und den anderen um! Dein Gottvertrauen wird dir helfen.“
Pfarrerin Cornelia Engelke, Marlishausen